gansterer1.jpg

© Sonia Gansterer

Kunstausstellung

Sonia Gansterer - ich färbe dir den Himmel brombeer

Showtimes

Vergangene Showtimes

19:00 - 23:59
Sehsaal

Neu gegründeter Kunstverlag mit lustvollem Lebenssinn für tiefgründig Subversives präsentiert am 9. September im sehsaal Buch und Ausstellung der kosmopolitisch poetischen Allegorien-Schöpferin Sonia Gansterer

Denken und lieben und malen – das Erschaffen einer eigenen Welt, die aus den persönlichen Erfahrungen und der Lebensgeschichte schöpft, sich aus dem tief im Inneren Empfundenen nährt, von Lyrik-Zitaten, Wissenschaft, Natur-Phänomenen, Kunst-Ikonen, Mythen inspirieren lässt und Geträumtes sowie Imaginiertes zu vielschichtigen Allegorien in Form von Bildern, Objekten und Installationen verdichtet: So lässt sich der künstlerische Kosmos von Sonia Gansterer, der nichts definiert, sondern intuitiv in den Bann zieht, umschreiben. Leichtes trifft auf Schwermütiges, Liebliches auf Morbides, realistisch wiedergegebene Porträts als Metapher für real nicht Fassbares auf freie malerische Formen. Im sehsaal in der Zentagasse 38 in Wien-Margareten offenbart die bildende Künstlerin am 9. September ab 19 Uhr eine Werk-Zusammenschau als Buch zu einer begleitenden Ausstellung. Die Buchpräsentation ist gleichzeitig Auftakt für den von Galerist Clemens Feigel neu gegründeten Kunstverlag Edition Eremitage am Kamp.

Verträumtes Kind, neugierige Sammlerin, ernsthafte Künstlerin
Das bewusste Einbeziehen unterschiedlicher Wesenszüge bildet die Basis für die verführerische Komplexität der Werke von Sonia Gansterer. So schreibt der Kunsthistoriker Günther Oberhollenzer, von 2006 bis 2015 Kurator am Essl Museum in Klosterneuburg bei Wien, seit 2016 Kurator für das neue Kunstmuseum in Krems, die Landesgalerie Niederösterreich, im Buch sinngemäß: „Da ist das verspielte, träumerische Kind, welches sich das naive Staunen ob der Schönheit und Vielfältigkeit der Welt bewahrt hat und das Besondere wie Einmalige in den kleinen, unscheinbaren Dingen erkennt. Da ist die forschende, neugierige Sammlerin, die Gegenstände und Erinnerungen, Greifbares und Flüchtiges aufbewahrt, getrieben von der Sehnsucht, die Essenz des Lebens einzufangen. Da ist die melancholisch ernsthafte Künstlerin, die sich an der Einsamkeit, den Selbstzweifeln, existenziellen Nöten und dem Weltschmerz abarbeitet. Da ist schließlich die leidenschaftliche wie sensible Malerin, Zeichnerin und Poetin, die zwischen konkreter Figur und freier Geste changiert, Bild und Text assoziativ kombiniert, Geschichten erzählt, Rätsel aufgibt und zum Nachdenken anregt.“

Vielschichtig trancebehaftete Farbkompositionen
So anregend und komplex die geistigen Verknüpfungen sind, so ist es auch das Spiel mit Farbe. Die expressiven, feinen und vielschichtigen Farbkompositionen versetzen in einen fast tranceartigen Zustand. Das konkrete Bild scheint sich aufzulösen, um sich in Mäandern neu zusammenzusetzen. Das Sujet tritt zurück, während die Komposition als Ganzes ihr Spiel entfaltet. Die Farbe Brombeer, namensgebend für das Buch, entleiht die Künstlerin dem Malkasten der von ihr geschätzten Lyrikerin Else Lasker-Schüler. Sie entnimmt sie deren desillusionistischem Gedicht „Abschied“ und holt sie aus der Vergangenheit in eine Gegenwart, die Illusion zulässt. Dieses Weiterspinnen von Gedanken und Lebenszusammenhängen ist wesentlich für Sonia Gansterer. Auch bei den eigenen Kreationen gibt es die radikale, geradezu evolutionäre Bereitschaft, diese zu hinterfragen, wieder zu verändern oder gar zu zerstören. Im Wissen um die eigene Vergänglichkeit schwingt stets der Zweifel an einem allgemeinen Andauern mit.

Seelenlandschaften gegen schnelllebigen Konsum
In einer geistigen Rebellion gegen jegliche Einengung setzt sie dem Zeitgeist bestimmender Algorithmen Darstellungen ambivalenter Seelenlandschaften entgegen. Diese Lust, von vorgegebenen Wegen abzuweichen, ist bereits im Aufbau und in der Struktur der Werke zu spüren. Schon in der Grundierung der Leinwand ist ein Statement gegen die oberflächliche Wahrnehmungsbereitschaft einer schnelllebigen Konsumgesellschaft enthalten. Mit Kaffeesud, Pigmenten und Bindemittel entsteht eine haptische und unruhige Unterlage als Nährboden für die Bilder. Die raue Struktur erlaubt kaum einen geraden Strich, fordert in malerischen Interaktionen mit dem Entstehenden stetige Aufmerksamkeit.

„Es bereitet Vergnügen, ihre gedanklich gesponnenen Fäden aufzunehmen, daran zu zupfen und abzuwarten, welche Geister geweckt werden“, begründet Clemens Feigel, warum er in seinem neu gegründeten Kunstverlag als erste Sonia Gansterer präsentiert. Selbst bis in die späten 1990er als bildender Künstler tätig verlagerte er in den vergangenen Jahrzehnten seine Tätigkeit hinter die Kulissen des Kunstbetriebs. 2016 erhielt er für seinen Kunstraum Eremitage am Kamp in Wegscheid in Niederösterreich den Maecenas Anerkennungspreis der Wirtschaftsagentur des Landes NÖ. Als Sammler und Galerist gilt sein Interesse seit jeher subversiver Kunst, wobei er die leisen subtilen Beiträge schätzt, aber auch seine Freude am Provokativen finden kann, wie er bereits
1990 und 1992 mit seinem Event „ErotiKreativ“ im Wiener Werkstätten und Kulturhaus (WUK) unter Beteiligung von namhaften „68ern“ wie Valie Export im Mix mit unbekannten Künstler*innen – bewies, heftige politische Reaktionen inklusive.

Verlagsgründung als Anachronismus
In Fortsetzung konzentriert sich auch der nunmehrige Verlag in seinen Publikationen Bildender Kunst darauf, den Menschen als Quelle des Werks oder des künstlerischen Ereignisses erfahrbar zu machen. Sinnlichkeit, Lebenslust, das Aufspüren von Nuancen als rebellische Manifeste sind Programm. Publiziert wird, was inspirierend wirkt und somit erhalten bleiben soll. Der Verlag ist gleichsam Archiv, aus dem das schnelllebige Internet schöpfen darf und welches gleichzeitig vor dem Verlorengehen in den Weiten des kurzlebigen Internets schützt. So erklärt sich auch die scheinbar anachronistische Handlung, 2020 einen Buchverlag zu gründen, die Clemens Feigel als „seltene Mischung einer konservativen und zugleich subversiven Aktion“ bezeichnet.

Die Zusammenstellung in der Neuerscheinung umfasst Arbeiten, die seit dem Umzug der Künstlerin von Wien nach Niederösterreich entstanden sind. 2009 richtete die Künstlerin im Waldviertel ihr neues Atelier ein. Die Einteilung in Kapitel ist eine Momentaufnahme und der Versuch einer Ordnung. Sonia Gansterer wird mit weiteren Werken die Kapitel wieder öffnen – und weiterdenken, weiterlieben, weitermalen.