Kunstausstellung

"Message Control" - Politische und gesellschaftskritische Grafik von der Reformation bis heute

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Eröffnung: 27. September, 19 Uhr
Öffnungszeiten: Di - Fr 11 - 18 Uhr, Mo/Sa nach Vereinbarung

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Zu allen Zeiten, wo religiöse, politische und gesellschaftliche Umbrüche die Tagesordnung verstärkt bestimmten, traten Künstler als Kommentatoren und Überbringer von Bildbotschaften für oder gegen bestimmte politische und religiöse Systeme, für oder gegen bestimmte gesellschaftliche Anliegen auf. Kulminationspunkte in der Vergangenheit waren dabei Zeiten von Krieg, Revolution oder religiösen Auseinandersetzungen mit ihren ständigen Begleitern Gewalt, Machtmissbrauch und Korruption.

Die Druckgrafik, die im Laufe des 20. Jahrhunderts zur Dokumentation des tagespolitischen (nicht aber unbedingt des gesellschaftspolitischen) Geschehens beinahe zur Gänze von der Fotografie abgelöst wurde, spielte dabei in der Übermittlung von vervielfältigbaren Bildbotschaften an eine möglichst breite Bevölkerungsschicht eine zentrale Rolle.

Maximilian I. war der erste Politiker, der Bildpropaganda bewusst für seine Zwecke einsetzte und dabei die besten Künstler seiner Zeit (Dürer und Umkreis) beschäftigte. Cranach warb für Luther und die Reformation, Legionen von Künstlern bebilderten, seit man Papier in Europa Anfang des 15. Jahrhunderts zu bedrucken begann, die Anliegen der katholischen Kirche und wurden dementsprechend auch für die Gegenreformation instrumentalisiert. Waren die zahlreichen Schlachtenbilder der aus 192 Holzschnitten zusammengesetzten „Ehrenpforte“ Kaiser Maximilians I. noch Beweis für die Kriegstüchtigkeit des Feldherren und also Apotheose des Krieges, so illustrierte Jacques Callot als erster, wenn auch quasi aus der distanzierten Sicht eines „Kriegsberichterstatters“, in seinen „Grandes misères de la guerre“ die Schrecken des (dreißigjährigen) Krieges. Rembrandt lieferte fast zeitgleich sehr persönliche und berührende Darstellungen von Krüppeln, die eben dieser Krieg hervorbrachte. In Goyas Kriegsbildern fällt vollends die Distanz zwischen Künstler und dem ihn umgebenden schrecklichen Geschehen. Kraft seiner offensichtlichen persönlichen Betroffenheit ermöglicht Goya auch noch dem heutigen Betrachter ein direktes empathisches Erlebnis. Das Gleiche gilt später vor allem auch für die deutschen Expressionisten (wie Max Beckmann oder Otto Dix) und ihre Aufarbeitung der Kriegserlebnisse während des 1. Weltkrieges.

Die europäischen Revolutionen, angefangen von der Französischen Revolution 1789, boten reichlich Bildthemen für teilweise anonym bleibende Künstler und Karikaturisten. Nur wenige hielten sich derart lange in gleicher Qualität und erlangten solche Berühmtheit wie Honoré Daumier (allein seine zeichnerische Produktion, die für den Druck und für diverse Zeitschriften bestimmt war, umfasst ca. 5000 Motive über einen Zeitraum von rund 50 Jahren!). Daumier geißelte die bald nach der Französischen Revolution einsetzende repressive Restauration und war mitunter sehr kreativ in der Erfindung leicht durchschaubarer Symbole für bestimmte Personen des politischen Lebens, um auf diese Weise der hartnäckigen Zensur zu entgehen. Nachdem naturgetreue Abbildungen der Physiognomie des Königs verboten worden waren, wurde die stattdessen abgebildete Birne (frz. im übertragenen Sinne für „Trottel“) legendär. Daneben bebilderte Daumier mit seinem sarkastischen Blick das Gesellschaftsleben seiner Zeit. Die kurze Phase der Zensurfreiheit in der Folge der Wiener Revolution von 1848 veranlasste Johann Nestroy zu seinem direkt auf die Ereignisse der Revolution bezogenen Stück „Freiheit in Krähwinkel“. Man verabsäumte es nicht, die Erstausgabe entsprechend zu bebildern. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges hingegen machte so manche Zeitschrift, die zuvor mit beißenden Karikaturen politische Opposition betrieben hatte, zu einem Anwalt der Kriegshetzer, Verunglimpfung des Feindes noch in der eigenen Niederlage 1918 mit inbegriffen (wie im Falle des „Simplicissimus“).

Die russische Revolution zu Anfang des 20. Jahrhunderts machte teilweise sehr junge Künstler zu Bildpropagandisten für die Bolschewisten, als diese ihre Anliegen – nicht zuletzt dank der in ihrem Auftrag arbeitenden Künstler – noch überzeugend vermitteln konnten. Später richtete sich die stalinistische Repression (und die sie begleitende Bildpropaganda) oft genau gegen diese Künstler, von denen sich viele wohl lieber den neuen Anforderungen anpassten, da alles andere lebensgefährlich werden konnte. Das neue Medium Film, das sich, kaum als neue Kunstform aus der Taufe gehoben, in Russland bald als Propagandamittel der ersten Wahl etablierte, führte in Form des Filmplakates auch im grafischen Bereich zu einer neuen Blüte.

Die im Gefolge der Novemberrevolution in Deutschland 1919 entstandene „Novembergruppe“ sorgte für einen Zusammenschluss zahlreicher kritischer Künstler. Käthe Kollwitz war sich nicht zu schade, in eindringlichen Bildern für Spenden für die Hungeropfer in Russland zur Zeit des dort wütenden Bürgerkrieges zu werben. George Grosz und die technisch als Neuerung eingeführten Fotomontagen von John Heartfield stehen für die Anprangerung der Verbindung von Großkapital, Politik und Militär in der Zwischenkriegszeit und im aufkommenden Nazismus. Einige Künstler lieferten auch noch aus dem Exil flammendes Bildmaterial gegen Nationalsozialismus und Faschismus. An dieser Stelle muss die in Europa zu wenig bekannte "Taller de Gráfica Popular" (Werkstatt für populäre Grafik) genannt werden, ein Zusammenschluss kritischer mexikanischer Künstler, deren Leiter der letzte Bauhausdirektor Hannes Meyer zeitweise während seines mexikanischen Exils 1939-1949 war. Während dieser Zeit entstanden zahlreiche, die Verbrechen der Nationalsozialisten anklagende Einzelgrafiken und mit Grafiken ausgestattete Broschüren im von Meyer mitbegründeten Verlag "La Estampa Mexicana".

Nach dem zweiten Weltkrieg waren es vor allem die sechziger und siebziger Jahre (Stichworte: Vietnamkrieg, Bürgerrechtsbewegung), die mit Ihren Studentenrevolten aber auch schon mit dem einsetzenden Bewusstsein für Umweltprobleme für beeindruckendes (kritisches) Bildmaterial sorgten. Klaus Staeck mit seinen Plakat- und Postkartenkampagnen, die er auch noch als über Achtzigjähriger fortsetzt, ist hier zu nennen. Eine ganz eigene Bildsprache brachte teilweise die DDR hervor. Einige Künstler, die es (aus welchen Gründen auch immer) vorzogen, ihre Kunst trotz widriger Umstände weiterhin in ihrem Land auszuüben und die es schafften, mit dem Regime über längere Zeit nicht in Konflikt zu geraten (und im gegenteiligen Falle auch ziemlich schnell dem Auge der Öffentlichkeit entzogen worden wären), fanden Andeutungen, Metaphern und Symbole, die – wenigstens aus heutiger Sicht – für den mitdenkenden Betrachter Rückschlüsse über die wahren Verhältnisse im Land zuließen. In vielen Fällen dürfte es wohl aber auch zu vorauseilender Selbstzensur gekommen sein, um erst gar nicht in den Verdacht auf Systemkritik zu geraten, wovon zurückgezogene oder verworfene Blätter Zeugnis ablegen. Andererseits war wohl in vielen Fällen gar keine Systemkritik beabsichtigt, wo die Zensur paradoxerweise dennoch einschritt.

Heute scheint Kunst — zumindest in Europa — weitgehend politikbefreit zu sein. Das hat mit Sicherheit auch mit der zunehmenden Kommerzialisierung von Kunst und deren Stellenwert als Handelsware zu tun. Es ist verständlich, dass man sich als Künstler sämtliche Interpretations- und nicht zuletzt Verwertungsmöglichkeiten für seine Arbeit offenhalten will. Ambivalenz und Deutungsvielfalt sind sicher Grundmerkmale von Kunst. Trotzdem gibt es das geflügelte Wort vom „Gewissen“ des Künstlers. Es sollte wenigstens die Frage erlaubt sein, ob er sich aus dem gesellschaftspolitischen Diskurs komplett herausnehmen darf bzw. in welcher Form er sich einbringen kann, auch wenn das nur zu bestimmten Zeiten geschieht, wie das z.B. auf Picasso zutrifft, der im spanischen Bürgerkrieg klar im humanitären Sinne Stellung bezog, später aber seine ganz eigene, weitgehend unpolitische Mythologie entwickelte. Wir freuen uns umso mehr, unserer als historischen Überblick mit Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert konzipierten Ausstellung auch einige ganz aktuelle Beispiele jüngerer Künstler hinzufügen zu können.